Grundsätzliche Problemstellung
Der Schutz der Bevölkerung in der Schweiz stützt sich grundsätzlich auf das ehrenamtliche Engagement der Helfer ab. Nur durch die Bereitschaft jederzeit «alles stehen und liegen zu lassen» und einem Einsatzauftrag nachzukommen, funktioniert der Schutz der Bevölkerung, der Tiere und der Infrastruktur in unserem Land.
Durch die gesellschaftlichen Veränderungen im Privat- und Berufsleben stehen zunehmend weniger Einsatzkräfte zur Verfügung. Die Anforderungen und Erwartungen an den Schutz der Personen- und Sachwerte bleiben jedoch die gleichen oder steigen vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage. Neben diesen Veränderungen im Bereich der Verfügbarkeit von Einsatzkräfte hat sich auch deren Kommunikationsverhalten verändert. Während früher Aushänge am schwarzen Brett und Festnetztelefon die beiden Hauptkommunikationsmittel zur Informationsweitergabe und Organisation innerhalb der Organisation waren, so sind es heute Einträge in Chatgruppen, sozialen Medien und E-Mails. Smartphone und Apps gehören heute zum Alltag vieler Einsatzkräfte. Während man vor einigen Jahren noch sicher sein konnte, dass bei einem Alarm ausreichend Einsatzkräfte zur Verfügung standen und jederzeit abkömmlich sein würden, so ist heute die fehlende Tagesalarmsicherheit ein allgegenwärtiges Thema aller Organisationen mit ehrenamtlichen Einsatzkräften.¹
Das Kernproblem ist, dass man aktuell nie genau weiss, wer wann verfügbar ist. Die Verfügbarkeit wird aktuell auf «empirischer Basis» geschätzt. Dies schlägt sich in der Praxis dann in einer Alarmierung der doppelt oder dreifach benötigten Anzahl an Einsatzkräften nieder. Dieser Mangel an Wissen über die Verfügbarkeit der Kräfte spiegelt sich in folgenden konkreten Situationen wieder.
Problemstellung 1
Die Alarmierungsstelle und der «Einsatzleiter Front» weiss erst nach der Alarmierung und einer Wartezeit von bis zu einigen Minuten, wie viele Kräfte kommen und wann diese zur Verfügung stehen werden. Dies gilt sowohl für Einsätze im eigenen Zuständigkeitsbereich als auch bei Anforderungen von Nachbarhilfeleistungen. Die Alarmierungsstelle und der «Einsatzleiter Front» kann adhoc nicht exakt sagen, wann und in welcher Stärke Kräfte zur Verfügung stehen werden.
Problemstellung 2
Nach einem Alarm treffen die ersten Kräfte im Depot, oder am vereinbarten Sammelort ein und stehen vor der Entscheidung, ob sie sofort ausrücken sollen oder noch auf das Eintreffen weiterer Kräfte warten sollen. Warten die Kräfte, ohne dass zusätzliches Personal eintrifft, wurde Zeit vertan, rücken die Kräfte sofort aus, geschieht dies ggf. unterbesetzt. Kurze Zeit später eintreffende Kräfte werden möglicherweise demotiviert oder treffen erst später mit dem nächsten Fahrzeug an der Einsatzstelle ein.
Problemstellung 3
Werden bestimmte Qualifikationen an der Einsatzstelle benötigt, wird die Gruppe an Kräften alarmiert, von denen man annimmt, dass die benötigten Qualifikationen dort in ausreichender Anzahl enthalten sind. Dabei kommt es regelmässig zur Alarmierung von Personen, welche die benötigte Qualifikation nicht aufweisen.
Aktuelle Vorgehensweise
Die zuständige Alarmierungsstelle alarmiert gruppenweise die doppelte oder dreifache Menge an Einsatzkräften, die für das gemeldete Szenario benötigt werden, beispielsweise 20 Personen. Man geht aktuell davon aus, dass bei Alarmierung von 40-60 Kräften mindestens 20 auf den Alarm reagieren und die benötigten Qualifikationen besitzen. Häufig ist dies jedoch nicht mehr der Fall wie eingangs geschildert und der «Einsatzleiter Front» oder die Alarmierungsstelle muss nach einer Wartezeit von einigen Minuten nachalarmieren, wenn nicht genug Einsatzkräfte auf den Alarm reagiert haben.
Bei der Freiwilligen Feuerwehr geht man in den meisten Ressourcenbedarfsplänen von einer Ausrückzeit (eintreffen der ersten Einsatzkräften am Einsatzort) von zirka 10-12 Minuten aus. Daraus folgend weiss der «Einsatzleiter Front» oder die Alarmierungsstelle im Mittel erst nach frühestens 10 Minuten, ob die Anzahl der Einsatzkräfte ausreichend ist bzw. wartet so lange. Wenn nach 10 Minuten feststeht, dass das Personal nicht ausreichend ist, vergehen bei der Alarmierung einer weiteren Einheit wieder einige Minuten.